Westernhagen: Ein deutscher Künstler

Zum 75. Geburtstag von Marius Müller-Westernhagen, einem der größten gesamtdeutschen Rockstars

Auf dem Gipfel seines Ruhms glaubte man, dass Marius Müller-Westernhagen einen Lakai haben müsste, der ihm immerzu Applaus spendet. In dem Dokumentarfilm „Keine Zeit“ von D.A. Pennebaker sieht man stattdessen, wie Westernhagens Frau ihm die Schuhe bindet. Und auf der Autobahn hört er den weit entfernten Jubel in dem Stadion, das er schon lange verlassen hat.

Das war 1996, nachdem die Alben „Halleluja“ und „Affentheater“ gewaltige Erfolge waren. Es war schon mindestens die zweite Karriere Westernhagens. In den 50er-Jahren stand er in Düsseldorf neben seinem Vater auf der Bühne und wurde Anfang der 60er-Jahre als Kinderdarsteller auch fürs Fernsehen entdeckt. Der Vater, ein vom Krieg gezeichneter Trinker, starb früh. Marius wuchs zwischen Frauen auf. Er spielte junge Schlakse im nicht ganz so neuen Kino der späten 60er- und 70er-Jahre.

Anfang der 70er-Jahre lebte er mit Udo Lindenberg und Otto Waalkes in einer Wohngemeinschaft in Hamburg. Lindenberg erklärte ihm in einem Ruderboot auf der Alster, wie er zur ersten Million kommen wollte. Auch Westernhagen wollte Musik machen, unterschrieb bei Warner einen Vertrag und brachte „Das erste Mal“ heraus, eine zwischen Balladen und schnodderigem Rock lavierende Platte. Nach zwei weiteren Alben erschien 1978 „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“, eine sogar für damalige Verhältnisse sagenhaft erfolgreiche Platte. Keine Wohngemeinschaft mehr.

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Er war in Filmen von Tankred Dorst und Margarethe von Trotta aufgetreten, als Peter F. Bringmann ihm 1979 die Rolle seines Lebens antrug: „Theo gegen den Rest der Welt“ ist ein deutsches Roadmovie, eine Autobahnkomödie, in der zwei Männer und eine Frau auf der Suche nach einem Lastwagen von Deutschland nach Italien fahren. Man könnte auch übertrieben sagen: ein Erziehungsroman. Die spillerigen Theos in engen Blue Jeans sah man an jeder Raststätte, an jeder Tankstelle und in jeder Kneipe. Der Theo wurde dem Marius aber auch zur Last.

Aber ausgerechnet jetzt gingen die Platten nicht mehr so gut, obwohl sie sehr gut waren: „Geiler is‘ schon“ (1983) und „Die Sonne so rot“ (1984) waren nur bei Kulturjournalisten beliebt. „Westernhagen“ (1987) war immerhin Platz 21 in den Charts. Aber zwei Jahre später, mit „Halleluja“ und den Singles „Weil ich dich liebe“ und „Sexy“, wurde Westernhagen möglicherweise der größte gesamtdeutsche Rockstar neben solchen Volkstribunen wie Herbert Grönemeyer, Wolfgang Niedecken und Peter Maffay. Und sein älterer Song „Freiheit“ wurde zum Hymnus jener Jahre. Noch heute ist Westernhagens nunmehr leiser Vortrag dieses Liedes am Ende seiner Konzerte ergreifend.

Ein Bild zu der ARD-Dokumentation „Es geht mir wie dir… „, einer Show mit Marius Müller-Westernhagen.

Er hat die Stadionkonzerte aufgegeben, oder die Stadionkonzerte ihn, und auch das Schauspiel mochte er nach „Der Schneemann“ nicht mehr, obwohl er in Altersrollen famos wäre. Er nahm „Pfefferminz“ noch einmal mit neuen Arrangements in den USA auf und engagierte die Musiker, die er immer bewundert hat. Ein bisschen großmäulig, ja größenwahnsinnig war er früher. Jetzt ist er, na ja: versöhnlich. Ein deutscher Künstler, der Deutschland gern entkommen wäre. Aber er kam immer wieder zurück.

Heute, am 6. Dezember, wird Marius Müller-Westernhagen 75 Jahre alt.

United Archives / TelePress United Archives via Getty Images

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