Zeit, Stephen Kings „Salem’s Lot“ wiederzuentdecken
Zum Start der neue „Brennen muss Salem“-Verfilmung: ein Blick auf Stephen Kings Vampir-Roman
Stephen King – Das Ranking
24. „Salem’s Lot“ (1975, deutsch: „Brennen muss Salem“) ★ ★ ★ ★
Zeit, Stephen Kings „Salem’s Lot“ wiederzuentdecken. Kings Agent trug die Befürchtung vor, sein Klient könnte nach dem Sensationserfolg von „Carrie“ als „Horrorschriftsteller“ abgestempelt werden, sollte er mit diesem Buch wieder ein Genrewerk veröffentlichen wollen. Dessen Reaktion: „Horrorschriftsteller? Sehr gut!“.
Diese amerikanische Perspektive war neu
Damit stand die Entscheidung für „’Salem’s Lot“ fest. King suchte sich ein scheinbar sicheres Horror-Terrain aus. Die Welt der Vampire. Vor allem aber baut er eines seiner wichtigsten Themen weiter aus. Die Entfremdung von den eigenen Kindern, die hier, als Blutsauger, zur Heimsuchung werden. Mit Kleinstädten fühlte der Autor sich stets wohler als mit den Großstädten. Die Chronik des 2500-Seelen-Nests ‚Salem’s Lot, und wie deren Bewohner nach und nach dem Schrecken aus dem Marsten-Haus verfallen, steckt voller liebevoller Details. Die Naturbeschreibungen, die Gezeiten und Stürme enthalten einen Zauber, mit dem der damals 28-Jährige King einem seiner Vorbilder, Ray Bradbury, sehr nahe kommt.
Schaurig ist die Vorstellung, dass die tranigen Einwohner vor den Vampiren nicht die Flucht ergreifen, sondern lediglich kapitulieren. Sie ziehen die Vorgänge zu und warten auf das Unausweichliche, bis die Stadt immer ausgestorbener wird. Sie sind die Menschen, die sich vor politischer Korruption, vor Watergate und Nixon, weggeduckt haben. Als Vampire wirken sie nicht wie die noblen Blutsauger aus dem Stoker-Kosmos, die bemantelt und mit guten Manieren durch Europa streifen. Sondern wie kranke Hobos aus dem Mittleren Westen. Diese amerikanische Perspektive war neu.
Das Trauma verarbeiten
Selbst die Arschlöcher, Saufköpfe und Taugenichtse aber erhalten vom Autor eine gewisse Daseinsberechtigung. Ihre groteske Lebensführung treibt sie schnell in die Arme der Untoten. Wenngleich „’Salem’s Lot“ mit seinen schematischen, fast schon archetypischen Rollenzuschreibungen, der Priester, der Tankwart, der Bestatter, auch als Seifenoper funktionieren könnte.
Vor allem mit den beiden Hauptfiguren Ben Mears und Mark Petrie schuf King zwei seiner interessantesten Charaktere. Der Junge Mark will die vom Vampir Barlow ermordeten Eltern retten. Er selbst ist eine durch und durch kompetente, vor seiner Zeit gealterte Seele. Noch trauriger anzusehen ist Ben Mears. Der Schriftsteller – den einige Leute, hier hat King selbst anscheinend ein Elefantengedächtnis gezeigt, für einen Taugenichts halten – kehrt nach ‚Salem’s Lot zurück um Kindheitserinnerungen zu verarbeiten. Der Mann kann einem Leid tun, da er nur mit Frieden mit der Vergangenheit schließen möchte. Seine Depression aufgrund der schrecklichen Ereignisse aber natürlich nur noch wächst.
„’Salem’s Lot“ ist einer von Kings furchterregendsten Romanen
Die Nüchternheit, mit der Stephen King das Schicksal von Mears‘ junger Liebe Susan Rogers beschreibt – so eben hatte das Schicksal sie getrennt, in der nächsten Nacht fliegt sie als Vampir vor sein Fenster – zählt zu seinen größten erzählerischen Momenten. Überhaupt ein frühes Zeichen seiner Klasse: „’Salem’s Lot“ ist einer von Kings furchterregendsten Romanen, voller neuer Ideen. Und das im von etlichen Autoren vermeintlich vollständig durchleuchteten Sujet, dem Vampir-Roman.
Die Geschichte beschäftigte King auch lange Zeit danach. Der Priester Callahan, in diesem Roman von Barlow gebissen und seitdem als eine Art fieberhafter Hobo per Bus unterwegs, würde in den „Dark Tower“-Romanen wieder auftauchen. In zwei später publizierten Kurzgeschichten beleuchtet der Autor außerdem die Entstehung des Bösen in ‚Salem’s Lot.
„Fast alle Leute hielten den Mann und den Jungen für Vater und Sohn“ lautet der erste Satz, und er ist bis heute Kings bester geblieben.