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Alle Geheimnisse über „Rust Never Sleeps“ von Neil Young

Neil Youngs Abgesang auf die Rockmusik, die mit der Megalomanie von Stadion-Tourneen und Drogen-Irrsinn längst zur Entertainment-Industrie geworden ist.

Ende der Siebziger hatte Neil Young gerade eine dunkle Lebensphase hinter sich gelassen und mit „Rust Never Sleeps“ eines seiner besten Alben überhaupt abgeliefert. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

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Wann erschien „Rust Never Sleeps“?

Am 22. Juni 1979 bei Reprise Records. In Deutschland am 02. Juli 1979.

Wie wurde „Rust Never Sleeps“ aufgenommen?

Die meisten Songs wurden live eingespielt und dann im Studio bearbeitet. Die erste Hälfte ist mit akustischen Instrumenten aufgenommen worden, wobei die ersten drei Stücke auf nachbearbeiteten Konzertmitschnitten von Youngs Solotour im Mai 1978 basierten. Zwei Stücke sind Studioaufnahmen: „Sail Away“ (stammt aus der Zeit von „Comes A Time“) und „Pocahontas“ (Solo-Aufnahme von 1975)

Die zweite Hälfte wurde während der „Rust Never Sleeps Tour“ gemeinsam mit Crazy Horse aufgenommen, die Young im Herbst 1978 quer durch die USA führte. Dazu kamen einige hörbare Overdubs – wie etwa bei „Hey Hey, My My“.

Welche Bedeutung hat der Albumtitel „Rust Never Sleeps“?

Neil Young zitiert mit dem Titel der LP einen Werbeslogan der Firma Rust Oleum. Er orientierte sich dabei an einem Vorschlag von Mark Mothersbaugh von Devo. 1977 bat Young Devo, in seinem Film „Human Highway“ mitzuwirken, auch weil er das Gefühl hatte, den Anschluss an eine neue Musikgeneration verpasst zu haben.

Cover von „Rust Never Sleeps“
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Young reflektiert damit seine eigene Karriere, die im Angesicht neuer Musikrichtungen (Punk) bereits infrage gestellt schien. Er befragt sich selbst: Möchte ich so weitermachen und im bildlichen Sinne mit der eigenen Musik verrosten, oder soll ich zu neuen Ufern vorstoßen? Die Mischung aus akustischen Folksongs und rabiaten Stücken mit Elektrogitarre spiegelt diesen Prozess und verfestigt zugleich Youngs bewusstes Spiel mit den zwei grundverschieden anmutenden Polen der Rockmusik.

Warum „My My, Hey Hey (Out of the Blue)“ am Anfang und „Hey Hey, My My (Into the Black)“ am Ende?

Eingeleitet wird die Platte von der akustischen Variante eines Songs, der schließlich in der Version mit elektrischen Gitarren das Album beschließt. Dieses Prinzip verfolgte Neil Young mehrfach in seiner Karriere, so etwa auf „Tonight’s The Night“ (1975) und auf „Freedom“ („Rockin‘ The Free World“, 1989).

Beide Tracks haben einen ähnlichen Text, unterscheiden sich aber in Details.

„My My, Hey Hey“ – Lyrics

My, my
Hey, hey
Rock and Roll
Is here to stay
It’s better to burn out
Than to fade away
My, my
Hey, hey
Out of the blue
Into the black
They give you this
But you pay for that
Once you’re gone
You can never come back
When you’re
Out of the blue
Into the black
The King is gone
But he’s not forgotten
This is the story of Johnny Rotten
It’s better to burn out than it is to rust
The King is gone but he’s not forgotten
Hey, hey
My, my
Rock and Roll
Can never die
There’s more to the picture
Than meets the eye
Hey, hey
My, my

„Hey Hey, My My“ – Lyrics

Hey, hey, my, my
Rock and roll can never die
There’s more to the picture than meets the eye
Hey, hey, my, my
Out of the blue and into the black
You pay for this and they give you that
Once you’re gone you can’t come back
When you’re out of the blue and into the black
The king is gone but he’s not forgotten
Is this the tale of Johnny Rotten?
It’s better to burn out than to fade away
The king is gone but he’s not forgotten
Hey, hey, my, my
Rock and roll can never die
There’s more to the picture than meets the eye
Hey, hey, my, my

„My My, Hey Hey (Out of the Blue)“ ist auch in Dennis Hoppers Film „Out of the Blue“ (1980) zu hören.

Wie war das mit der Zeile „It’s better to burn out than to fade away“?

Die Worte „It’s better to burn out than to fade away“ lieh sich Neil Young der Legende nach von Jeff Blackburn, mit dem er 1977 in der Band The Ducks spielte. Kurt Cobain erwähnte die Zeile, die auch in Youngs Film „Human Highway“ zu hören ist, in seinem Abschiedsbrief, bevor er sich das Leben nahm. Seitdem wird sie auch als morbides geflügeltes Wort verwendet. Neil Young wurde so auch, vielleicht zunächst ohne es zu wollen, zum Paten des Grunge erhoben. Er reagierte seinerseits mit dem herausragenden Album „Sleeps With Angels“ (1994), das er dem verstorbenen Nirvana-Sänger widmete.

Stimmt es, dass John Lennon die Zeile hasste?

In einem Interview mit dem Playboy äußerte sich der Ex-Beatle zu Neil Youngs Rock’n’Roll-Abgesang – und steigerte sich dabei in einen regelrechten Rausch:

„I hate it. It’s better to fade away like an old soldier than to burn out. If he was talking about burning out like Sid Vicious, forget it. I don’t appreciate the worship of dead Sid Vicious or of dead James Dean or dead John Wayne. It’s the same thing. Making Sid Vicious a hero, Jim Morrison—it’s garbage to me. I worship the people who survive—Gloria Swanson, Greta Garbo. They’re saying John Wayne conquered cancer—he whipped it like a man. You know, I’m sorry that he died and all that—I’m sorry for his family—but he didn’t whip cancer. It whipped him. I don’t want Sean worshiping John Wayne or Johnny Rotten or Sid Vicious. What do they teach you? Nothing. Death. Sid Vicious died for what? So that we might rock? I mean, it’s garbage you know. If Neil Young admires that sentiment so much, why doesn’t he do it? Because he sure as hell faded away and came back many times, like all of us. No, thank you. I’ll take the living and the healthy.“

Wie wurde aus „Rust Never Sleeps“ ein Film?

Neil Young entschied sich noch vor Veröffentlichung des Albums auch einen Konzertfilm zu entwickeln, der das Live-Konzept mit akustischen Songs und schnelleren, härteren Elektro-Gitarre-Anteilen verewigen sollte. Der Film entstand als Mitschnitt eines Konzerts am 22. Oktober 1978 im Cow Palace in San Francisco. Regie führte Young selbst, allerdings unter dem inzwischen legendären Pseudonym Bernard Shakey. Die Songs für die LP „Rust Never Sleeps“ wurden schließlich während der Tour mitgeschnitten, bis auf „Hey Hey, My My“ kurioserweise aber nicht an jenem 22. Oktober während der Filmaufnahmen.

ROLLING-STONE-Redakteur Arne Willander schrieb zu dem Film:

Neil Youngs größte Stunde beginnt mit Kapuzenmännern, die überdimensionierte Lautsprecherboxen und Equipment auf die Bühne schleppen. Dann erscheint Young, ganz in Weiß, und klampft so unwiderstehliche Songs wie „Comes A Time“, „Sugar Mountain“ und „Thrasher“, bevor er Crazy Horse auf die Bühne holt. Nun entfesseln sich die Stücke, die noch heute den Kern von Youngs Werk bilden: „The Needle And The Damage Done“, „Powderfinger“, „Cortez The Killer“, „Like A Hurricane“, „Hey Hey, My My“.

Hier geht es darum, dass die Rockmusik mit der Megalomanie von Stadion-Tourneen und Drogen-Irrsinn längst eine Unterhaltungsindustrie geworden ist. Young verabschiedet den Rock ’n r -Roll von Elvis Presley, führt das Hippietum ad absurdum und koppelt mit seinen Feedback-Orgien an Johnny Rotten an. Die surrealistischen Kapuzenfiguren, die im ersten „Star Wars“-Film als Sandmännchen herumlaufen, transzendieren das Spektakel.

Killer-Szene: Neil Young reitet auf Mondstrahlen bei „Like A Hurricane“. Ein Stein wer nicht weinen muss.

Wie war das mit „Rust Never Sleeps“ und Lynyrd Skynyrd?

Die beiden Songs „Sedan Delivery“ und „Powderfinger“ schrieb Neil Young ursprünglich zuerst für Lynyrd Skynyrd.

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Ist „Powderfinger“ wirklich Neil Youngs bester Song?

Wenn es nach der US-Ausgabe des ROLLING STONE geht, ist „Powderfinger“ das Song-Highlight in der Karriere von Neil Young. In der Liste der 100 besten Songs des Kanadiers landete es auf Platz eins. Das Urteil: „Neil Youngs großartigster Song enthält alles, was diesen Musiker so großartig macht: überwältigend hymnische Crazy-Horse-Gitarren und die jugendlich emotionale Intensität seiner bittersüßen akustischen Balladen. Themen, die über die Jahrzehnte immer wieder in seinen Songs auftauchten (der Mythos des Westens, der einsame Kampf des Individuums, Sterblichkeit, Freiheit, Gewalt und das Leben in der Gemeinschaft), verbinden sich mit einer Musik, die zugleich mitreißend und niederschmetternd ist.“

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Wie fielen die Kritiken für „Rust Never Sleeps“ aus?

Schon zur Veröffentlichung gab es ausgesprochen gute Besprechungen für die Platte. ROLLING STONE wählte es 1979 zum Album des Jahres, bei „Village Voice“ kam es auf Rang zwei. In der Liste der 500 besten Alben aller Zeiten von ROLLING STONE findet sich „Rust Never Sleeps“ auf Position 351.

Rick Diamond
Rick Diamond
Michael Ochs Archives Getty Images

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