Lucy Rose: „Ich mag Dinge, die mich zum Denken anregen“

Sie sang für die Manic Street Preachers und mit Paul Weller – dabei ist Lucy Rose selbst eine Songschreiberin. Für ihr neues Album musste sie sich neu erfinden.

Wir sollten alle mehr Zeit mit Pflanzen verbringen. ­Lucy ­Rose hat mit Gartenarbeit ­eine der düstersten Phasen ihres Lebens überwunden und Kraft für neue Songs gefunden. „No Words Left“, das vierte Soloalbum der britischen Sängerin, sei zum ersten Mal aus ihrem eigenen Beat entstanden, sagt sie selbstbewusst. „Ich wollte endlich ohne Schlagzeug arbeiten, weil mich der vorgegebene Rhythmus stets abgelenkt hat.“

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Ein introvertierter Schritt, der die persönlichen Stücke noch näher an die Liedkunst ihres hörbaren Vorbilds Joni Mitchell bringt. Die letzten Jahre waren für sie anstrengend: In kurzen Abständen drei Soloalben, dazu andere Verpflichtungen. Jahrelang verdiente Rose als Backgroundsängerin bei Bombay Bicycle Club und Manic Street Preachers ihr Geld. Sie genießt auf der Insel bei vielen (berühmten) Kollegen einen exzellenten Ruf. Für Elton John eröffnete sie bei einem Hyde-Park-Konzert, und Paul Weller animierte sie zur Mitarbeit an seinem Stück „Books“.

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Dennoch ist das Hadern mit ihrer eigenen Leistungsfähigkeit keine Koketterie: Beim Sprechen faltet die offenherzige, auch zuhörbereite Sängerin immer wieder die Hände zusammen, denkt über Fragen lange nach. („Ich habe einen Hang, alles zu sehr zu analysieren, vor allem mich selbst.“) „Solo(w)“ demonstriert diese auch bedrückende Sehnsucht, sich zurückzuziehen, wie kein anderer Song auf ihrem neuen Album voller implodierender Gedanken. Schüttere Klavieranschläge, ­dazu ­immer wieder das karg dahingesprochene Wort „­Solo“. Schließlich legen sich unwirklich anmutende Saxofon- und Kontrabass-Passagen über Rose’ Wortkaskaden und vereinen sich im Schlussakkord wohlig miteinander.

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Das klingt bei einem Song, der von einer depressiven Phase handelt, wie Rettung in letzter Sekunde. Für Lucy Rose gilt das nur bedingt. Die Präsenz auf der Bühne widerspreche eigentlich ihrem scheuen Wesen, auf Tour vermisse sie ihre Familie bitterlich. Zugleich bereite es ihr Unbehagen, sich in den sozialen Medien zu positionieren. „Ich werde immer zynischer und kann nichts dagegen tun“, sagt sie missmutig.

Lucy Rose geht ihren eigenen Weg

Die Abneigung dagegen, die Dinge so zu machen, wie ihr Label es erwartet, sorgt aber auch für befreiende Ideen. Statt ein klassisches Musik­video für ihre Single „Conversation“ zu drehen, ließ sie sich von ihrem Stammregisseur beim Musizieren begleiten, wodurch ein Kurzfilm entstanden ist. Um es bei den Aufnahmen möglichst reduziert zu halten, mietete Lucy Rose lediglich ein Studio an. „So konnte ich nur die Instrumente verwenden, die auch zur Verfügung standen.“

Die reduzierte, fast klassische Komposition ihrer Songs erinnert zuweilen an die schwermütigen ­Stücke von Neoklassik-Vertretern wie Nils Frahm und Chilly Gonzales. Aber auch wenn es in bekenntnishaften Tracks wie „Just A Moment“ emotional zugeht (kein Song ohne lyrisches Ich), geht es ­Rose um mehr: „Ich mag Dinge, die mich zum Denken anregen – und das sollen meine Songs auch bei meinen Hörern bewirken.“

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Das Drama der erodierenden Liebe bleibt das Leit- oder vielmehr Leidmotiv der Sängerin. „Save Me From Your Kindness“ erzählt davon, dass man es einer Frau oft nicht recht machen kann, selbst wenn man es noch so gut meint. „Treat Me Like A Woman“ stimmt ­eine Klage darüber an, dass es ein männliches Verhalten gibt, das Frauen fast automatisch dazu bringt, an sich selbst zu zweifeln.

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„Conversations“ fasst die Probleme zwischen den Geschlechtern, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen, zusammen: „Read me wrong, you won’t be the first/ And sure as hell not the last/ No one told us this was easy/ But we felt like it should have ­been.“ Rose stellt die Frage: Ist es die Liebe, die uns leiden lässt – oder die Unfähigkeit, vernünftig miteinander zu sprechen? „Manchmal kann die Liebe zwischen zwei Menschen sehr intensiv sein, aber die Beziehung hält es nicht aus. Und dann gibt es Paare, die leben glücklich miteinander – aber ­ohne einander zu lieben.“

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