Die letzten Tage im Leben von Tupac Shakur

Der Tod von Tupac Shakur ist bis heute nicht aufgeklärt. Wie konnte es zu der Tragödie im September 1996 in Las Vegas kommen?

Im September 1996 war Tupac Shakur der erfolgreichste Rapper der Welt. Für seine Fans schon damals der King of Rap, besetzte er die Rolle als ebenbürtiges Gegenstück zu Elvis als King of Rock ’n‘ Roll. Der ultimative Gangster-Rapper.

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Mit der zornigen Stimme des schwarzen und urbanen Amerikas sprach er für die Abgehängten der farbigen Bevölkerung. „Ja, ich würde sagen, dass ich ein Gangster bin. Einfach, weil ich aus der Gosse komme“, sagte er über sich selbst. Er wurde als Heiland verehrt, als Heiliger und Ikone. Doch nicht alle teilten diese Meinung. Neben seinen Rivalen im Rap betrachtete ihn vor allem die Staatsgewalt vielmehr als Bedrohung. „Wisst ihr, Amerika isst seine Kinder und egal, was ihr über mich denkt: Ich bin immer noch eines eurer Kinder“, entgegnete er den besorgten Eltern und Moralaposteln.

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Dass er gefährlich lebte, wusste er selbst. Oft sprach er davon, dass er sterben würde, und dabei erhoffte er sich einen Abgang mit Pauken und Trompeten. Wie schnell sich diese Annahme erfüllen würde, mochte ihm vielleicht doch nicht ganz klar gewesen sein.

Die Pflicht ruft

Am Tag vor seinem Tod drehte er sein letztes Musikvideo in den Lacy Studios in Los Angeles. Er stand ganz an der Spitze, untermauert von zahlreichen Top-10-Hits und zwei Nummer-Eins-Alben hintereinander. Ein Status, der nicht mehr lange aufrecht erhalten werden konnte. Als er die Dreharbeiten am späten Abend des 6. September 1996 verließ, ahnte er noch nicht, dass er noch weniger als vierundzwanzig Stunden zu leben hatte. Er fuhr direkt auf sein Anwesen im Nobel-Vorort Calabasas, wo er unmittelbar nach seiner Ankunft zu Bett ging. Seine Cousine Jamala Lesane weckte ihn am nächsten Morgen. Gemeinsam wollten sie nach Las Vegas fahren, um sich einen Boxkampf anzusehen und später noch einen vereinbarten Club-Auftritt hinter sich zu bringen. Sich in dem Club blicken zu lassen, war für Tupac an diesem Tag eine lästige Pflicht, doch es gehörte zu seinem Business. Ebenfalls dabei war seine Freundin Kidada Jones, Tochter von Quincy Jones.

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Anstatt den Weg nach Las Vegas anzutreten, wollte Tupac am liebsten nach Atlanta reisen. Ein paar Familienangelegenheiten mussten geregelt werden und der Ausflug in die Wüstenstadt kam unpassend. Beinahe wäre er gar nicht am Strip erschienen, doch sein Manager, Suge Knight, drängte ihn darauf, die unterzeichneten Verträge einzuhalten.

Der Aufstieg

1991, fünf Jahre vor seinem Tod, befand er sich im Wettkampf um den Thron des Rap noch an der Startlinie. „2Pacalypse Now“, sein erstes Album, meldete direkt hohe Ansprüche an und setzte ein Zeichen gegenüber den übrigen Mitbewerbern. Die Fähigkeit, die alltägliche Realität der amerikanischen Ghettos in Texte zu verfassen, und seine Bühnenpräsenz öffneten ihm rasch viele Türen. Er steckte all seine Beobachtungen und Gefühle in seine Lyrics, sodass die Zuhörer gar nicht anders konnten, als gebannt zuzuhören. Er tat es auf eine Weise, wie es nach ihm vielleicht nur Kendrick Lamar gelungen ist.

Tupac war das vieltitulierte Sprachrohr der Vergessenen und Armen, der Benachteiligten und Diskriminierten. Er wollte klar machen, dass der Bodensatz der Gesellschaft letztlich doch alle etwas angeht. „Thug Life“ muss deshalb als politisches Bekenntnis verstanden werden und nicht nur als hohle Glorifizierung eines gefährlichen Lifestyles. „The hate you give little infants fucks everyone“ war das Credo und „Thug Life“ die Abkürzung.

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Für seine Art, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, liebten ihn die Fans vom ersten Moment an. Doch nicht nur die mehrheitlich schwarzen Viertel von New York, Los Angeles, Chicago und den übrigen amerikanischen Metropolen spiegelten Tupacs Anziehungskraft. Das Image des bedrohlichen Gangsters aus dem Ghetto faszinierte Million von weißen Vorstadt-Kids. Ray Luv, ein alter Mitstreiter aus frühen Tagen, attestierte Tupac nach seinem Tod, sich immer geweigert zu haben, etwas nur für Geld zu tun. Die Hauptbedingung, bei allem was er tat, sei gewesen, sich immer treu bleiben zu können. Auf diese Weise war er sich sicher, immer mit seinen Fans verbunden zu bleiben.

Tupac Shakur

Unerschütterliche Überzeugung

Um sich möglichst vielen Menschen mitteilen zu können, ging es Tupac Shakur vor allem um Aufmerksamkeit. Sie war nichts, was er für sich entdeckte, nachdem er das Interesse vieler Leute durch seine Musik auf sich gezogen hatte. Es war genau umgekehrt. Doch bei aller Selbstbestätigung durch den massenhaften Zuspruch fiel die Beachtung nicht immer so aus, wie Tupac es sich gewünscht hatte. Er war bis in die letzte Pore von seiner Sache überzeugt und nicht darum verlegen, sich vor der Konkurrenz im Schein seines Erfolges zu sonnen. Durch diese Haltung machte er sich schnell Feinde.

E.D.I. Mean, ebenfalls aus Tupacs Umfeld, brachte es auf den Punkt:

„Im Hip Hop geht es immer um Konkurrenz. Nach dem Motto: ‚Ich bin besser als du. Ich habe mehr Mädchen und außerdem die fettere Karre.‘ Es ist schon fast wie Sport. Wenn dann noch solche Riesenegos zusammenprallen, ist das ein Rezept für Zerstörung.“

In Tupacs Fall war es am Abend des 7. September 1996 soweit. Die angestaute Energie entlud sich.

Die politischen Wurzeln des Tupac Shakur

Zurück in Las Vegas. Nach der Ankunft im Hotel suchte Tupac das Glück an den einarmigen Banditen und Black-Jack-Tischen. Sein Bodyguard Frank Alexander wich ihm dabei keinen Meter von der Seite, denn Tupac wollte sich nicht nur aufdringliche Fans vom Leib halten. Er wusste genau, welche Gefahren auf ihn lauerten. Beim Würfeln im MGM Casino gewann Tupac einige Tausend Dollar, während ihm die Mitglieder seiner Entourage Gesellschaft leisteten. Ständig kreisten sie wie Planeten um ihn herum, stets darauf bedacht, möglichst viel vom Glanz der Sonne abzubekommen. Die Einsätze waren hoch, das Testosteronlevel ebenso.

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Tupac Shakur wuchs in den 1970er-Jahren zunächst in East Harlem, New York City auf. Die Wahrscheinlichkeit, einmal in einem Casino mit Geld um sich schmeißen zu können, war damals für ihn noch verschwindend gering. Zumindest auf legalem Weg. Als Sohn der Black-Panthers-Anhängerin Afeni Shakur kam er früh mit radikalen politischen Ansichten in Kontakt, die bei dem intelligenten Jungen Spuren hinterließen. Afeni Shakur saß bis kurz vor der Geburt ihres Sohnes aufgrund des Verdachts eines geplanten Sprengstoffattentat in Untersuchungshaft. Sie war begeistert davon, wie die Black Panthers auftraten, wie sie dachten und wie sie sich für die Belange der farbigen Bevölkerung einsetzten. „Für mich waren die Black Panthers eine Möglichkeit, meiner Wut einen gebührenden Ausdruck zu verleihen“, erzählte sie rückblickend.

Tupac Amaru

Nachdem Afeni Shakur von den Anklagepunkten freigesprochen wurde, brachte sie ihren Sohn am 16. Juni 1971 zur Welt. Sie taufte ihn Tupac Amaru, ganz gleich wie der Inca-Rebell und Freiheitskämpfer gegen die Spanier im 18. Jahrhundert. Der Widerstand und die Empörung gegen soziale Missstände wurde dem zukünftigen Rapper somit bereits in die Wiege gelegt. Afeni Shakur erhoffte sich, Tupac mit dem Namen Kraft geben zu können, die ein Kind im Sozialbauviertel gut gebrauchen konnte. Kraft, die er von seinem Vater, William Garland, nicht bekam, da er in Tupacs Leben schlichtweg nicht existierte. Es mangelte an einer Vaterfigur, so wie bei so vielen Kindern, die in Harlem groß wurden. Zeitweise sogar obdachlos, schaffte es Afeni Shakur 1986 doch, mit Tupac nach Baltimore umzuziehen, um ihm dort ein besseres Leben zu ermöglichen.

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Tatsächlich wurde es zunächst einfacher. Tupac ging auf die Baltimore School of the Arts, wo er sich ausschließlich mit künstlerisch begabten Mitschülern umgab. Es war etwas, das er in dieser Form vorher noch nie erlebt hatte. Gewohnt war er die Armut, die Gewalt und die ständigen Sorgen. Hier konnte er sich frei ausleben und Interessen entwickeln, die nichts mit Drogen oder Raubüberfällen zu tun hatten. Insbesondere entdeckte er die Schauspielerei für sich – und den damals noch jungen Hip Hop.

Großes Potenzial

Dass Tupac großes Talent besaß, sahen viele seiner Mitmenschen und Lehrer. Sie ermutigten ihn, auf dem künstlerischen Weg weiterzugehen und sich weiterhin darüber auszudrücken. Gleichzeitig brauchte er nicht mehr viel Zuspruch. Er war sich seiner Sache sicher und strotzte vor Selbstbewusstsein. Eine Art, die ihm vielfach als Arroganz ausgelegt wurde. Trotz der positiven Entwicklung in der Schule, holten ihn die Erlebnisse zu Hause rasch wieder ein. Afeni Shakur wurde von einer Affäre verprügelt und Tupac musste zusehen, vollkommen hilflos gegenüber einer Situation, die er in jungen Jahren schon zu häufig ertragen musste. Um ihrem Sohn dieses Leben fortan zu ersparen, schickte Afeni Shakur ihn weit weg an die Westküste der USA. In der San Francisco Bay Area sollte er bei einem Freund leben.

In Marin City gelangte der erst sechszehnjährige Tupac Shakur allerdings gleich ins nächste Elend. Die sozialen Verhältnisse unterschieden sich von denen an der Ostküste in keiner Weise und Tupac geriet in immer mehr Schwierigkeiten auf der Straße. Seine Mutter folgte ihm bald, ohne jedoch wirklich für Tupac sorgen zu können, da sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. „Die Beziehung zwischen mir und meinen Kindern basierte auf Vertrauen und Ehrlichkeit. Diese Beziehung zerstörte ich durch meine Lebenslüge, die darin bestand, dass ich Drogen nahm, aber behauptete, es unter Kontrolle zu haben“, so Afeni Shakur.

Tupac verabscheute den Konsum seiner Mutter und dealte doch selbst für kurze Zeit mit Crack. Lange hielt er es nicht durch. Laut der Aussage seines Jugendfreundes aus Marin City, Ray Luv, weil er ein zu weiches Herz hatte. Wenn jemand seinen Ehering für ein paar Gramm eintauschen wollte, ging es ihm einfach zu weit. Mit siebzehn war Tupac bereits klar, dass er alles auf eine Karte setzen musste. Entweder es klappte mit der Musik oder er landete endgültig auf der Straße. Mit Ray Luv gründete er deshalb seine erste Crew, Strictly Dope.

Tupac Shakur auf der Bühne

Gezielte Provokation

Der Nachmittag des 7. September 1996 verging schnell. Unter den Gefolgsleuten von Tupac Shakur herrschte eine entspannte Stimmung und Vorfreude auf den abendlichen Boxkampf. Der Herausforderer im viel diskutierten Schwergewichtskampf war Mike Tyson, ein guter Freund des Rappers. Nicht erwünscht waren Tupacs Freundin und seine Cousine, die sich wunderten, weshalb sie überhaupt mit nach Las Vegas gereist waren. Vor dem MGM Grand Hotel, in dem der Kampf stattfand, empfing den Superstar eine riesige Menschentraube. Für Leibwächter Frank Alexander war dies eine Situation, die er unter allen Umständen vermeiden wollte. Die aufdringlichen Fans waren dabei eine kleinere Bedrohung.

Der Song „Hit ‚em Up“ war kurz zuvor erschienen. Eine Abrechnung mit seinem größten Konkurrenten und ehemaligen Freund, The Notorious B.I.G, voller Beleidigungen und Provokationen. Bis heute gilt „Hit ‚em Up“ als einer der meist beachteten Disstracks, an dem sich anderen musikalische Rachefeldzüge messen müssen. Was Tupac noch mehr Aufmerksamkeit verschaffte, war für seine Sicherheitsleute ein Albtraum. In unübersichtlichen Situationen wie jener vor dem MGM Grand Hotel in Las Vegas war Tupac Shakur ein leichtes potenzielles Opfer.

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Erste Schritte im Musikbusiness

Mit Strictly Dope lief es in den frühen 1990er-Jahren zunächst mäßig, doch das Aufeinandertreffen von Tupac mit dem Rapper Shock G veränderte die Richtung. Tupac bekam einen Job als Tänzer in Shock Gs Crew Digital Underground angeboten und tourte bald darauf mit ihnen durch die Welt. Mit der Position als Tänzer gab er sich nicht zufrieden und drängte darauf, selbst das Mikro ergreifen zu dürfen. Er bekam seine Chance und nutzte sie. Nur ein Jahr später erhielt er seinen ersten Plattenvertrag und nahm sein Debüt „2Pacalypse Now“ auf. Das Album war eine Kampfschrift und ein einziger Widerspruch. Politischer Aktivismus, Ghetto-Romantik, Empowerment der farbigen Kultur, gespickt mit zutiefst frauenfeindlichen Lyrics, die im nächsten Moment von Huldigungen schwarzer Frauen gefolgt wurden. In Tupacs Songs vermischten sich sein politisches Elternhaus mit der Realität der Straße, vereint von einem Künstler, der stets sein größter Fan war.

Der endgültige Sprung ins Rampenlicht gelang Tupac allerdings nicht mit der Musik, sondern auf der Leinwand. Der Film „Juice“ erschien 1992 und manifestierte Tupac Shakurs Popstar-Status. Neben den finanziellen Aspekten zahlte der riesige Erfolg vor allem auf sein Ego ein. Zwar trat seine Mutter Afeni Shakur nach einem erfolgreichen Drogenentzug zurück in sein Leben, doch Tupacs eigenen Probleme wuchsen.

Auf Kollisionskurs

Immer häufiger machte er durch Straftaten auf sich aufmerksam. 1993 griff er einen Chauffeur tätlich an und wenige Wochen später verprügelte er einen anderen Rapper mit einem Baseballschläger. Nach seinem Rauswurf aus dem Cast des Films „Menace to Society“ ein Jahr später bedrohte er den Regisseur Allen Hughes mit einer Waffe und musste deshalb für fünfzehn Tage ins Gefängnis. Betrunken schoss er in Atlanta mit einer gestohlenen Pistole auf zwei Polizisten außer Dienst und wurde nur durch eine hohe Kautionszahlung wieder auf freien Fuß gesetzt. Das Image als Gangster-Rapper und das Privatleben von Tupac Shakur bewegten sich immer weiter aufeinander zu. Der Druck, von außen immer zu als Gangster gesehen zu werden, übermannte letztlich den Künstler 2Pac.

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In Las Vegas gewann Mike Tyson den Boxkampf im Schwergewicht gegen Bruce Sheldon nach nur zwei Minuten. Gemeinsam mit Manager und Death-Row-Records-Boss Suge Knight sowie dem Bodyguard Frank Alexander wollte Tupac seinen Freund Tyson im Backstage-Bereich beglückwünschen, während er selbst aufgrund des Sieges noch voller Adrenalin war. Auf dem Weg flüsterte ihm jedoch einer von Knights Mitarbeiten zu, dass in der Lobby ein angebliches Mitglied der Crips herumlaufe, der ihn vor wenigen Tagen ausgeraubt habe. Death Row Records wiederum wurden Verbindungen zur Gang der Bloods nachgesagt, die zu den Crips bis heute eine erbitterte Feindschaft pflegen. Angestachelt vom Boxkampf, rannte Tupac in die Lobby und verprügelte den Crip mitsamt seiner Entourage. Das Opfer: Ein gewisser Orlando Anderson.

Schüsse in New York

Am 30. November 1994, zwei Jahre vor dem Trip nach Las Vegas, wurde Tupac Shakur selbst zum Ziel eines Angriffes. In der Lobby eines Tonstudios raubten ihn zwei Unbekannte aus und verletzten ihn lebensgefährlich durch fünf Schüsse, darunter zwei Treffer am Kopf. Bis zu diesem Zeitpunkt fühlte er sich unverwundbar und zu groß, als dass ihm jemand etwas antun würde. Er betrachtete sich als Ikone der farbigen Musikwelt und Kultur, die er ohne Zweifel auch war, jedoch übersah er im eigenen Glanz die Feinde, die er sich über die Jahre herangezüchtet hatte. Darüber hinaus ist bis heute unklar, mit welchen Motiven die Täter ihre Tat ausführten. Hass und Neid hatte er in seinen Texten mit Sicherheit zuhauf geschürt.

Tupac hingegen war sich sofort sicher: Er war Opfer eines gezielten Rachefeldzuges aus der Rap-Szene geworden. Als Initiatoren des Attentats vermutete er Christopher Wallace, alias The Notorious B.I.G., und dessen Umfeld. Der zukünftige Beef zwischen den Rap-Größen der Ost- und Westküste eskalierte.

Als noch kein Streit herrschte: Tupac zusammen mit The Notorious B.I.G. (links) und Redman (rechts) in New York, 1993.

Nachdem er wieder genesen war, realisierte Tupac seine eigene Verwundbarkeit. In Interviews sprach er darüber, dass der Künstler 2Pac ein Image pflege, dass nichts mit seinem realen Leben zu tun habe. Dem entgegen trat die Anklage einer neunzehnjährigen, die ihn beschuldigte, sie vergewaltigt zu haben. Er stritt es vehement ab, wurde jedoch wegen sexueller Belästigung zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. In der Haft gab er den Geläuterten und schwor dem „Thug Life“ öffentlich ab, wobei ihm mehrfach nachgesagt wurde, es nur als Argument für seine vorzeitige Entlassung getan zu haben. Die Rettung war schließlich Suge Knight mit seinem Label Death Row Records. Tupac unterschrieb einen Vertrag über drei Alben und Knight stellte im Gegenzug die Kaution von 1,4 Millionen Dollar.

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Keine kugelsichere Weste

Was oberflächlich wie ein Segen aussah, entpuppte sich mit der Zeit als zusätzlichen Zunder für Tupacs Feuer gegen alle, die sich ihm entgegen stellten. Suge Knight war selbst für sein hitziges Temperament berüchtigt, das ihn über die Jahre mehrfach ins Gefängnis brachte. Aktuell sitzt er eine Haftstrafe von 28 Jahren wegen Totschlags ab. Tupacs engste Vertraute beobachteten nach dessen Freilassung, wie die beiden Egos aufeinanderprallten und sich in immer mehr und in drastischeren Formen entluden. Gegen Rivalen aus dem Rap-Business und gegen den Staat.

Immer noch voller Adrenalin, kehrte Tupac am Abend des 7. September 1996 gegen 21:00 Uhr zurück auf sein Hotelzimmer in Las Vegas. Vor seiner Freundin und seiner Cousine prahlte er mit seiner Tat in der Hotellobby. Im Gefühl der vermeintlichen Unbesiegbarkeit verzichtete er darauf sogar auf seine kugelsichere Weste, die er normalerweise in der Öffentlichkeit immer an sich trug. Es sei zu heiß draußen, so die Begründung gegenüber seinen Gefolgsleuten. Vor dem geplanten Club-Auftritt fuhren Tupac, Suge Knight und der Rest ihrer Crew noch einmal auf ein Anwesen, das dem schwerreichen Plattenboss gehörte. Durch ihn entstand die Nähe zu den Bloods, die Knight durch das offensive Tragen der Farbe Rot, die Farbe der Bloods, ständig demonstrierte. Der neue Plattenvertrag mit Death Row machte Tupac in den Augen der verfeindeten Crips somit automatisch zum Ziel, obwohl sein Leibwächter nicht daran glaubte, dass sein Schützling je irgendetwas mit Gangs zu tun hatte.

Eine ungewöhnliche Anweisung

Als Tupac und Suge Knight die Villa wieder verließen, sollte der Bodyguard Frank Alexander nicht mit ihnen im Wagen weiterfahren, um die später betrunkenen Crew-Mitglieder als Chauffeur fahren zu können. Alexander hielt es für ungewöhnlich und vermutete, dass Knight unter diesem Vorwand unter vier Augen mit dem Rapper sprechen wollte. Es kamen Gerüchte auf, dass Tupac mit den Gewinnbeteiligungen seines Death-Row-Debüts und Nummer-Eins-Albums „All Eyez On Me“ unzufrieden war. Ein Streit, der unter dem Vorzeichen der riesigen Egos vorprogrammiert gewesen war. Hinzu kam, dass Tupac kurz vor seinem Tod die verbalen Attacken auf The Notorious B.I.G. intensivierte und mit „Hit ‚em Up“ einen Höhepunkt in der Auseinandersetzung East Coast vs. West Coast setzte.

Tupac Shakur und Suge Knight

Kurzum: Die Liste der Feinde war mittlerweile vollkommen unübersichtlich geworden. Tupac eckte zunehmend selbst bei seinen eigenen Leuten an und dachte niemals daran, in einer Konfrontation klein bei zu geben, die er in der Regel selbst hervorgerufen hatte. Es war die Art, mit bestehenden Verhältnissen und für ihn existierenden Problemen umzugehen, die er schon in jungen Jahren von seiner Mutter übernommen hatte.

Flamingo Road, Ecke Koval Lane

Der Tross um Tupac befand sich wieder auf der Straße in Richtung Club. Auf der Flamingo Road bogen die Autos rechts in die Koval Lane ab, wo sie wiederum an einer Ampel zum Halten kamen. Frank Alexander beobachtete aufmerksam, wie die Leute in den übrigen Autos den Superstar im schwarzen BMW 750i entdeckten. Nichts Ungewöhnliches. Vom einen Moment auf den anderen erschien neben Tupacs Wagen ein weißer Cadillac. Noch im Rollen streckte ein Arm eine Waffe aus dem Fenster und schoss mehrfach in die Beifahrerseite des BMW, auf der Tupac neben Suge Knight saß. Tupac wurde in Brust, Becken und den rechten Arm getroffen, eine Kugel durchschlug dabei seinen rechten Lungenflügel. Suge Knight erlitt einen Streifschuss am Kopf.

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Unmittelbar nach dem Angriff lenkte Knight den Wagen um 180 Grad und fuhr in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Frank Alexander konnte nur hilflos bei dem zusehen, was um ihn herum geschah. Da einige Kugeln die Reifen des BMWs getroffen hatten, kam er jedoch bald zum Stehen. Ein Notarzt fuhr die beiden Verletzten ins University Medical Center von Las Vegas, wo sofort zwei Notoperationen eingeleitet wurden. Tupac Shakurs getroffener Lungenflügel wurde entfernt und er selbst in ein künstliches Koma versetzt. Seine Familie und Freunde waren sich sicher, dass er bald wieder aufwachen würde, immerhin hatte er schon den Angriff in New York überlegt. Doch sie hofften vergeblich. Am 13. September 1996 starb Tupac Amaru Shakur mit nur fünfundzwanzig Jahren im Krankenhaus in Las Vegas.

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Wer ist Mörder?

Die Suche nach dem Mörder von Tupac gestaltete sich im Anschluss als überaus schwierig. Niemand hatte etwas gesehen – oder man entschied sich dazu, nichts gesehen zu haben. In der Folge entstanden verschiedene Theorien, wer für die Tat verantwortlich sein könnte, die bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist. Zu den Verdächtigen gehört The Notorious B.I.G. und sein Umfeld, die den Mord als Rache für den Song „Hit ‚em Up“ in Auftrag gegeben haben sollen. Christopher Wallace, so B.I.G mit bürgerlichem Namen, wurde selbst wenige Monate später erschossen. Andere wiederum vermuten, dass Suge Knight als Strippenzieher agierte, da Tupac Death Row Records wieder verlassen wollte.

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Der Hauptverdächtige ist jedoch Orlando Anderson, jenes Mitglied der Crips, das in der Lobby von Tupac und seiner Crew verprügelt worden war. Andersons Onkel, Keefe D (bürgerlich Duane Keith Davis), beschuldigte ihn viele Jahre später, die Tat begangen zu haben. Davis habe währenddessen selbst im Auto gesessen. Orlando Anderson wurde am 29. Mai 1998 in Los Angeles erschossen.

Posthum erschienen zahlreiche weitere 2Pac-Alben, die ihn zum weltweit erfolgreichsten Rapper aller Zeiten machten. Afeni Shakur verwaltete bis zu ihrem Tod 2016 das Erbe ihre Sohnes.

Fred Duval/FilmMagic
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